Der Kaiser von Mallorca

D a n k e , dass es im Leben nie langweilig wird!

Wer mich kennt, weiss, dass ich mich nur bei trockenen Strassen auf den Sattel schwinge. Nasse Strassen sind mir echt ein Graus, denn schnell ist man raus! Auch heute zeigte sich das Wetter leider nicht von der sonnigsten Seite. Was soll’s! Zeit für einen weiteren, gemütlichen Spaziergang mit meinem Schatz und Freunden. Dabei kamen wir unter anderem auch im Assos Shop vorbei. Dort steht beim Eingang ein ganz spezielles Motorrad. Es erinnert stellvertretend an all die bekannten Steherrennen, an denen nicht nur Max Hürzeler, sondern auch Gusti Zollinger teilgenommen haben. Gusti war es dann auch, der Max dieses Motorrad verkauft hat.

Und wenn man an Gusti Zollinger und Max Hürzeler denkt, kommt einem sofort wieder die Erfolgsgeschichte dieser zwei Herren in den Sinn:

Anfang der 80er Jahre hatte Max Hürzeler zum ersten Mal die Idee, in den Süden zu fliegen, um Rennrad zu fahren. ‚Ja, was für eine verrückte Idee‘, dachte sich auch der Inhaber eines Schweizer Reisebüros, als der selbstbewusste Bahnradprofi Hürzeler ihm vorschlug, gemeinsam Reisen für Rennradfahrer nach Mallorca anzubieten. Tausend Leute jährlich sollten Radferien auf der Insel verbringen? Was für eine absurd hohe Zahl. Lächelnd schickte er Max Hürzeler nach Hause und verpasste damit wohl das Geschäft seines Lebens.

Dieser weiss seinen Erfolg inzwischen längst einzuordnen. “Ich habe den Rennradtourismus auf Mallorca nicht erfunden, ich habe ihn nur besser gemacht”, sagt Hürzeler. Anfang der 80iger Jahre war es nur ein ausgewählter Kreis, der zum Radtraining auf die spanische Insel flog: Ein paar Strassenradprofis, Bahnfahrer und deren Sponsoren leisteten sich das Vergnügen. Als Bahnradprofi war Hürzeler 1981 erstmals zum Rennradfahren auf Mallorca. Ohne Karte radelte er bei Regen von Playa de Palma Richtung Porto Cristo. Kaum Verkehrsschilder, schlechte Strassen – es war definitiv keine Liebe auf den ersten Blick. Doch nachdem er sich das zwei, drei Jahre lang angesehen hatte, fing er an, sich Gedanken darüber zu machen, solche Trainingsreisen professionell zu organisieren.

Zusammen mit seinem Schrittmacher Ueli Luginbühl, dem fünfmaligen Querfeldein-Weltmeister Albert Zweifel, Hansruedi Keller, Gusti Zollinger und anderen Radsportkollegen bot er 1985 zum ersten Mal Radsporttraining im Hotel Delta Station auf Mallorca an. Nur wenige Wochen machten sie das und wollten in erster Linie ihr eigenes Training finanzieren. 185 Gäste kamen im ersten Jahr, im zweiten waren es schon 450 und im vierten Jahr bereits 1’400 Radsportler. Spätestens da blieb dann wohl Geld übrig.

Ein Grund für das schnelle Wachstum war auch das durchdachte Angebot, das von der Werkstatt über den Radkeller bis hin zum Buffet reichte. Eine Nase fürs Geschäft hatte und hat Max Hürzeler zweifellos. Und dass er von seinem Salär als Bahnradsportler nicht lange leben könnten, war dem Steher-Spezialisten früh klar und zwar schon bevor er die Idee mit den Radsportreisen hatte. So reiste er 1981 nach der Steher-WM der Amateure, bei der er Dritter geworden war, nach Thailand, um 1’000 T-Shirts für den Verkauf an Fans zu produzieren. Er sprach kein Englisch und verstand nichts von Textilproduktion. Doch nach einer Woche hatte er einen Lieferanten gefunden, und der Verkauf in seinen Radboutiquen wurde seit Mitte der 80er Jahre ein Erfolg.

Nostalgie im Hotel Delta

Vor allem das Hotel Delta wurde zum Inbegriff des Frühjahrstrainings auf Mallorca. Radprofis wie Miguel Induraín, Pedro Delgado, später auch Erik Zabel, Udo Bölts, Jan Ullrich, Olaf Ludwig und Rolf Aldag zählten zu den Stammgästen, was wiederum Legionen von Hobbysportlern magisch anzog. Ein deutscher Gast schwärmt:“Wir kleinen Radfahrer haben hier die grossen Stars gesehen”! Mit den Leuten vom Team Telekom an einem Tisch zu sitzen und zu plaudern – das kam gut an. Inzwischen ist das Delta, wie manch anderes aus dieser Epoche, Geschichte.

Hürzeler selbst hat sich immer weiterbewegt und auch Brüche in Kauf genommen. 1987, nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft als Steher, war er auf dem Höhepunkt seiner Radsportkarriere. Der Sponsor lockte ihn mit dem bestdotierten Vertrag seiner Karriere, doch Hürzeler lehnte ab, trat zurück und setzte alles auf eine Karte! Den Radtourismus! Ein langjähriger Sponsor warf ihm vor:“Du sitzt auf Mallorca und machst Ferien”. Hürzeler liess sich von diesen Worten nicht beirren. Ohne wirtschaftliche Ausbildung, ohne Fremdsprachenkenntnisse und Kredite baute der gelernte Maschinenzeichner in wenigen Jahren ein kleines Imperium auf. Wenn er heute im Playa de Muro im Vorbeigehen einen prüfenden Blick auf die Übersichtstafeln mit den Tourenvorschlägen, GuideSteckbriefen und CampInfos wirft, dokumentiert das den Standard in allen von Hürzeler angebotenen Hotels. Es sind die Richtlinie, die in allen HürzelerGruppen gelten:

Es wird gemeinsam losgefahren, und natürlich kommt man gemeinsam wieder zurück.

Das war nicht immer so. Pedro Willy, Hürzeler-Gast der ersten Stunde aus der Schweiz, erinnert sich an die Anfangszeit. Der guten Organisation stand ein rauer Umgangston gegenüber, geprägt vom harten Rennfahrergeist. Gesittete Ausfahrten im Grundlagentempo? Fehlanzeige. Stattdessen Ausscheidungsrennen zum Puig Major. Hatte ein Gruppenteilnehmer eine Reifenpanne, wurde er mit Flickzeug am Strassenrand zurückgelassen. Und wenn ein Gast zu sehr nervte, zückte Hürzeler schon mal die Brieftasche, zahlte dem Störenfried sein Geld zurück und setzte ihn vor die Tür. Auch Hürzelers Sprüche fand nicht jeder lustig. Wenn er bei der morgendlichen Besprechung von der “Gruppe Jammer und Elend” sprach, erntete er böse Blicke. “Ich war manchmal schon ein Arsch”, meint Hürzeler heute selbstkritisch.

Einstige Mitarbeiter als Konkurrenz

Stets umgab er sich mit Leuten, denen er vertrauen konnte – aber man darf auch vermuten, dass im Reich des Königs von Mallorca nur wenig Platz für Kronprinzen ist. Viele seiner ehemaligen Mitarbeiter haben sich im selben Business selbstständig gemacht: So der zwischenzeitlich pensionierte Gusti Zollinger, der mit seiner Firma auch selber Radsportreisen und Fernfahrten organisierte. Auch Philip Egli war lange der Kopf von Philipp’s Bike, ExMitarbeiter Markus Hess hat Easy Tours gegründet, und Freund und Radkollege Fred Rompelberg ist gross im Radreisegeschäft. Allesamt haben sie bei Max Hürzeler gearbeitet, gelernt und viel abgeschaut. “Ich kopiere immer Max, er ist der Trendsetter”, gibt Fred Rompelberg ganz offen zu. “Für mich ist Max der Kaiser von Mallorca, und ich habe grossen Respekt vor ihm.”

Max Hürzeler selbst ist zwischenzeitlich schon länger nicht mehr im Geschäft. Der jahrelange Dauerstress und das unglaubliche Wachstum wurden irgendwann zuviel – vielleicht auch, weil der Perfektionist alles selber machen oder überwachen wollte. Nicht zuletzt ist dies auch der Grund, dass er Ende 2005 das Unternehmen weiter verkauft hat. Max lebt auf den Plakaten und Katalogen aber weiterhin fort. In unserem Hotel kann man ihn nicht unweit des Radkellers auf einem riesengrossen Werbeplakat sehen.

ZUR PERSON:

Max Hürzeler wurde 1954 in Zurzach im Schweizer Kanton Aargau geboren. Gegen den Willen des Vaters begann er als Kind mit dem Radsport und wurde zu einem der erfolgreichsten Schweizer Bahnradsportler.

Seine größten Erfolge: Goldmedaillen bei der SteherEuropameisterschaft 1983, 1986 und 1987 sowie Gold bei der SteherWeltmeisterschaft 1987. Anschließend beendete er seine Karriere.

Auch ausserhalb der Schweiz ist er als Gründer von Bicycle Holidays Max Hürzeler bekannt. Er lebt den größten Teil des Jahres auf Mallorca.

Max Hürzeler gilt als Radsport-Pionier auf Mallorca. Der Schweizer war der erste Anbieter, der Urlauber zum Radfahren auf die Insel brachte. Das Unternehmen Huerzeler Bicycle Holidays ist heute unangefochtener Marktführer. Der Gründer hat damit aber nichts mehr zu tun. 2005 verkaufte er seine Anteile und näherte sich Schritt für Schritt dem Ruhestand. Heute wohnt der ehemalige Bahnprofi – 1987 gewann er die Weltmeisterschaft – im Frühjahr auf Mallorca, im Sommer in der Schweiz und im Winter in Thailand.

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